Digitalizität und Materialität der Medien
Neben der Euphorie und Dringlichkeit hinsichtlich der 'digitalen Revolution' entwickelten sich in der Auseinandersetzung mit dem Computer und der Digitalisierung in den letzten Jahren zunehmend Positionen, die auf kritische Distanz gingen. Besondere Relevanz gewinnen die laufenden Debatten angesichts der Integration von Computertechnologie in unterschiedlichste Lebensbereiche, die mit den Begriffen 'Ubiquitous Computing' oder 'Ambient Intelligence', 'Scripted Spaces', 'Internet of Things' und 'Big Data' adressiert wird.
Ein bleibendes Problem dieses Themenfeldes beginnt mit seiner Schlüsselkategorie, dem von Beginn an mythisierten Begriff des Digitalen. Die damit verbundenen Charakteristika von Interaktivität/Partizipation, Flexibilität, Kontrolle, Immaterialität sowie die daraus abgeleiteten Hoffnungen auf Ermächtigung einerseits und Freiheit anderseits prägen u.a. die Theorie und Praxis der Globalisierung und Wissensgesellschaft entscheidend.
Diese mythische Aufladung des Digitalen baut auch auf gegenteilige Assoziationen zum Analogen. Dazu gehören Ängste vor dem Verlust vermeintlich fester Größen: Sicherheiten, ausgedrückt als Stabilität, Authentizität, Originalität und Gegenständlichkeit, die als Gegensatz zur Immaterialität digitalisierter Objekte betont wird, wobei die spezifische Materialität digitaler Medien missachtet zu werden droht.
Um die diversen Aspekte des mythischen Digitalen verhandeln zu können, ohne dessen Strahlkraft notorisch und unreflektiert zu reproduzieren, bietet sich der Begriff der Digitalizität an – verstanden als eine strategische Absetzbewegung und Annäherung zugleich. Bis heute prägt ein Amalgam von Kontrolle, Flexibilität und Unmittelbarkeit sowohl die gegenwärtigen Versprechen der Digitalizität, die z.B. in der Etablierung von Touchscreens, Cloud und Ubiquitous Computing zum Ausdruck kommen, als auch die gegenwärtigen Ängste vor dem Missbrauch der Möglichkeiten.
Eine Möglichkeit, der Digitalizität analytisch zu begegnen und ihre historische wie aktuelle Relevanz zu untersuchen, besteht in der Auseinandersetzung mit Erscheinungsformen des Computers und computerbasierter Medien, um sie methodisch reflektiert auf ihr Verhältnis zur Digitalizität zu befragen. Wie verhält sich die jeweilige Ästhetik des Computers, seine Angebote über ihn zu verfügen, zu jenen Versprechungen/Ängsten der dominanten Fiktionen, die das öffentliche Bild 'des Digitalen' ausmachen? Welche Vorstellungen zum Computer und seinem Gebrauch werden im ästhetischen Erscheinen eines konkreten Verbunds von Hard- und Software angeboten und vermittelt? Welche Theorie soll hier Praxis werden, mittels welcher Verfahren und Theorien gilt danach zu fragen?