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Léa Perraudin

"Intraface. Texturen eines be-greifbar Technischen"

Wird die Umgebung flächendeckend zur Domäne des Technischen erklärt, sind Anschlussfragen an die Art und Intensität der Begegnungen von Gerät und Nutzer*in virulent. Es besteht gleichermaßen Klärungsbedarf über die Zugänge, die sie erzeugen sowie die Ausschlüsse, die mit ihnen einhergehen. Hier sind Formen der Bezugnahme auf und Intervention gegen das größtmögliche ‚Innen‘ der Technologie (dessen Teil wir nun selbst sind) zu sondieren, die sich in Konsequenz von einem anthropomorphen, prothetisch operierenden Technikbegriff entfernen.
Der Vortrag nimmt technische Phänomene in den Blick, die nicht binär zwischen Innen und Außen unterscheiden, die sich also einem monokausalen Verständnis der Schnittstelle, des ‚Inter‘ verstellen, um Begriffe des Interface und der Interaktion neu befragen. In der Arbeit mit spekulativen Schnittstellensituationen exponieren aktuelle Praktiken im experimentellen Interfacedesign (insbesondere im Feld der Tangible Interaction) eine spezifische Begegnung mit Technik und Technologie. Da sie sowohl in Bezug auf das technische Einzelartefakt als auch auf deren technologische Makrostruktur durchdrungene Momente der Involvierung stiften, lässt sich ihr Potential nicht mit etablierten Interaktionstheorien analysieren. In seinen ergebnisoffenen Materialstudien stellt das experimentelle Interfacedesign das verlustfrei vernetzte, metallisch cleane und berechenbare Ideal von Technik zur Disposition. Es bringt demgegenüber etwa zähflüssige Substanzen, Schaum und Granulat als Materialitäten des Involviertseins zur Anwendung und exponiert die klebrigen, metastabilen, partikelhaften Attribute eines be-greifbar Technischen. Zur Diskussion dieser Dynamik stelle ich das Modell des Intraface vor.
Als Symptom einer ökologischen Wende des Medialen verstanden, rücken hier verschiedene Formen eines Denkens mit den Elementen Wasser, Erde und Luft und ihren mannigfaltigen Amalgamierungen in den Blick. Die Elemente machen sich in der Technosphäre, wie ich vorschlage, als kontraintuitiv anmutende nicht-natürliche Stoffe einer prozessual-relationalen Reevaluation des Medialen verdient. Ihre Widerständigkeiten und Widersprüchlichkeiten scheinen aus den in sich selbst durchdrungenen Dynamiken zeitgenössischer Kulturen des Technischen hervorzugehen und fordern andere Öffnungen ein, um sich mit neuen Schnittflächen ausgestattet, im Modus des ‚Intra‘ zu situieren.

Kurzbiographie
Léa Perraudin ist Medienkulturwissenschaftlerin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln tätig. Zuvor war sie von 2014-2019 wissenschaftliche Mirarbeiterin am Zentrum für Medienwissenschaften und Moderneforschung (MeMo) der Universität zu Köln sowie von 2012-2017 Lehrbeauftragte und Projektmitarbeiterin für reflexives Schreiben an der Münster School of Design (Projekt ”Wandel bewegt”, gefördert durch den Qualitätspakt Lehre des BMBF). Nach dem Studium der Kulturanthropologie, Philosophie und Medienkulturanalyse in Frankfurt am Main und Düsseldort hat sie als Kollegiatin der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne kürzlich ihre Dissertation zum Thema „Playful, entangled, messy: Mediale Begegnungen in der Technosphäre“ fertiggestellt. Ihre Forschung setzt sich schwerpunktmäßig mit Medienökologien, Theorie und Ästhetik des Anthropozäns, Theorien des Spiels und experimentellen Kulturen in Kunst und Design auseinander.