
09. Dezember 19
Ort
ZeM – Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften
Hermann-Elflein-Straße 18
14467 Potsdam
The Alphabet of Feeling Bad
The Alphabet of Feeling Bad, D 2012, HD, 13′ von Karin Michalski
Der Film bezieht sich auf theoretische Arbeiten u. a. von Lauren Berlant, Heather Love, Sara Ahmed und Ann Cvetkovich.
The Alphabet of Feeling Bad zeigt ein experimentelles Interview mit der Theoretikerin und Aktivistin Ann Cvetkovich. Die auf Gesprächen mit der Filmemacherin beruhende Performance von Cvetkovich erläutert von A bis Z Begriffe wie Depression, aber auch alltägliche negative Gefühle wie die Vorstellung, in einer Sackgasse zu stecken, sich gelähmt zu fühlen, nicht arbeiten zu können, von Anforderungen überwältigt zu sein, nicht zu genügen und nicht weiter zu kommen, und versieht sie mit neuen Bedeutungen.
In der Tradition von Initiativen wie dem SPK (Sozialistisches Patienten-Kollektiv) der 1970er-Jahre werden negative Gefühle nicht als individuelles Versagen, als Fehler oder Krankheit verstanden. Es wird vielmehr die Frage aufgeworfen, wie diese als „public feelings“ kollektiv gefühlt und im Kontext neoliberaler Arbeitsverhältnisse, aber auch von Homophobie und Rassismus politisiert werden können.
Ann Cvetkovich arbeitet nicht nur theoretisch, aus queer-feministischer Perspektive zu Themen wie Trauma und Depression, sondern ist auch Mitbegründerin des „Feel Tank Austin“, eine von mehreren aktivistischen Gruppen in den USA, die neben Treffen und Austausch auch Demos und öffentliche Kundgebungen organisierten. Beteiligte des „Feel Tanks Chicago“ führten die „International Parades of the Politically Depressed“ durch (2003, 2004 und 2007) und demonstrierten in Pyjamas und Bademänteln mit dem Slogan: „Depressed? It might be political!“. Gemeinsam mit Public Feelings-Gruppen aus New York und Austin, Texas organisierten sie 2007 eine Konferenz mit dem Titel „Anxiety, Urgency, Outrage, Hope… A Conference on Political Feeling“ an der University of Chicago.
Das Setting des Films referiert auf Tracey Emins bekannte Arbeit „My Bed“, ein ungemachtes Bett als Skulptur, das symbolisch auf krisenhafte individuell erlebte Zustände verweisen soll. Während diese ihre Melancholie aber auch ihren Humor aus der Anspielung auf eine Künstlerinnenbiografie jenseits „normaler“ weiblicher Lebensläufe zieht, wird in The Alphabet of Feeling Bad das Leben in einem Bett zum Ausgangspunkt einer Fantasie über mögliche neue Politikformen, für die queere Passivität nicht Hindernis, sondern Voraussetzung ist.
Karin Michalski arbeitet als Künstlerin, Film- und Videokunstkuratorin und Dozentin in Berlin. Sie studierte Filmregie und -produktion (creative producing) an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) sowie Publizistik, Politik- und Erziehungswissenschaft an den Universitäten in Mainz und Berlin.
Sie war mit ihren Film- und Videoarbeiten an zahlreichen Festivals und Ausstellungen beteiligt u.a. mit The Alphabet of Feeling Bad (14 min., 2014, Video-Text-Projektion), The Alphabet of Feeling Bad (12 min., 2012), working on it (50 min., 2008, CH/D, Co-Regie: Sabian Baumann), Monika M. (20 min., 2004, 3sat/dffb), Pashke und Sofia (30 min., 2003) und women videoletters – a second text on war and globalization (80 min., 2004, internationale Gruppenvideoarbeit). Seit 2001 organisiert sie die queer-feministische Film- und Video-Kunst Programm-Reihe clipclub (u.a. in Zusammenarbeit mit Renate Lorenz und Brigitta Kuster) und arbeitet als Film- und Videokunstkuratorin für Kunstinstitutionen, Festivals und Konferenzen.
2016 gab sie die Künstler-Edition An Unhappy Archive bei Edition Fink, Zürich heraus (in Kollaboration mit Sabian Baumann), 2015 das Buch I is for Impasse. Affektive Queerverbindungen in Theorie_Aktivismus_Kunst bei bbooks, Berlin (eine Kollaboration mit Ulrike Klöppel, Katrin Köppert, Käthe von Bose, Pat Treusch) sowie 2011 das Fanzine FEELING BAD – queer pleasures, art & politics mit Beiträgen von Ann Cvetkovich, Renate Lorenz, K8 Hardy, Sabian Baumann und Dafne Boggeri (der Titel bezieht sich auf den Begriff ‚feeling bad’ von Ann Cvetkovich in: An Archive of Feelings, Trauma, Sexuality, and Lesbian Public Cultures, Duke University Press, 2003). Sie arbeitet als Dozentin an Kunsthochschulen und Universitäten. 2015-18 war sie Vertretungsprofessorin für Kunst- und Medienwissenschaften an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM).