01. Juni 18
Ort
ZeM – Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften
Hermann-Elflein-Straße 18
14467 Potsdam
Forschungs- und Doktorandenkolloquium
Das medienwissenschaftliche Forschungskolloquium bietet DoktorandInnen und Post-Docs die Möglichkeit, ihre aktuellen Promotions- und Forschungsprojekte zu präsentieren und im kollegialen Rahmen zu diskutieren.
LEITUNG
Direktorium des ZeM
KOORDINATION
Dr. Adelheid Heftberger, ZeM
Reisen mit/durch/auf Facebook – Sozio-technische Dynamiken facebook-inhärenter Urlaubsfotografien
Carolin Anda (ZeM)
Die Dissertation fokussiert touristische Amateurfotografien, die ihre Distribution und Verwendung im sozialen Netzwerk Facebook finden. Die Expansion und einfache Zugänglichkeit der Social Media hat innerhalb der letzten 12 Jahre neue Verwendungsweisen privaten Materials und mediale Praktiken mit sich geführt, die den Umgang und die Rezeption privater Fotografien veränderten. Dabei migrieren soziale Praktiken der Fotografie – wie z.B. das Zeigen und Austauschen fotografischen Materials in Freundes- und Bekanntenkreisen und Fotoalben oder das Dokumentieren von Erleben – in das soziale Netzwerk Facebook und werden in die Netzwerkarchitektur integriert. Dort bilden sich durch die Bedienungsfunktionen der Interfaces, verschiedene Modifikations- wie auch Partizipationsmöglichkeiten (z.B. Like und Share-Funktionen, Hash- und Geotagging) und durch die zugrunde liegende technische Infrastruktur spezifische mediale Praktiken, Bilddistributionen und Akteursverhältnisse heraus. Urlaubsfotografien stellen dabei Aushandlungsflächen privater, kommerzieller und technischer Interessen dar, die das Netzwerk stabilisieren, mediale und sozio-technische Handlungen fixieren und beeinflussen sowie wichtige Informationen über Reisevorlieben der FotografenInnen, zurückgelegte Wegstrecken und über einzelne Bildinhalte bereithalten.
Dabei stützt sich die Arbeit auf das interdisziplinären Feld der Netzwerkforschung und ihren verbundenen aktuellen Theoriebildungen zu Formen der Visual Culture, neuen Medien, Digitalizität, sozio-kulturellen Gebrauchsweisen von Medien, Tourismustheorien sowie sozio-technischen Handlungstheorien. Zu den theoretischen Prämissen der Dissertation zählt die Annahme, dass Urlaubsfotografien über eine im sozialen Netzwerk erzeugten Handlungsträgerschaft (agency) verfügen, welche in Rezeptions-, Partizipationsprozess und sozio-technische/sozio-medialen Verkettungen auf unterschiedliche Weise aktualisiert und reproduziert werden kann. Die Dissertation interessiert sich sowohl für die technischen und nutzergenerierten Verwendungsweisen und Verteilungsmechanismen, als auch für die medialen Voraussetzungen und Bedingungen für solche Formen der Aktualisierung privaten Fotomaterials, die das Entstehen von visuellen Erfahrungswelten ermöglichen. Dieses Erkenntnisinteresse erfordert eine medienpraxeologische Auseinandersetzung sowohl mit dem fotografischen Bildmaterial und dessen Partizipations-/Modifikationsmöglichkeiten, als auch mit der sozio-kulturellen, sozio-technischen und medienwissenschaftlichen Theoriebildung.
Turning Kurdish memories into films: The representation of ‘home’ as a domestic/personal archive
Dr. Özgür Çiçek (ZeM)
Das kurdische Kino, das seit den 2000er Jahren als solches kategorisiert wurde, ist ein transnationales Kino, das an verschiedenen Orten wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien, der Türkei, Rojava und dem irakischen Kurdistan produziert wird. Jetzt, da das kurdische Volk in vielen Ländern verstreut ist, beschränkt sich seine Geschichtsschreibung auf die einzelnen Versuche kurdischer Geschichtsschreiber und Wissenschaftler. Die Absenz des kurdischen Archivs oder der Geschichtsschreibung erzeugte eine Spannung, die sich durch junge, motivierte Filmemacher löste, die ihre Kameras wie Stifte nutzten, um ihre Geschichte zu schreiben, die hauptsächlich von den Erinnerungen geprägt war, die sie von ihren Eltern, Großeltern oder Verwandten hörten. In diesem Sinne machen viele kurdische Filmemacher aus der Türkei persönliche Dokumentarfilme, die ihre nicht repräsentierte persönliche Geschichte offenbaren.
Wenn wir uns kurdische Filme ansehen, die in der Türkei produziert werden, ist ein wiederkehrendes Thema die Darstellung von „Heimat“ als Ort, an dem alle persönlichen Aufzeichnungen gespeichert und aufbewahrt werden. In Zeynel Doğan und Orhan Eskiköy’s The Voice of My Father (2012) beispielsweise ist der Keller des Hauses der Ort, in dem Base all die Gesangsbriefe, Kleider und Habseligkeiten ihres Mannes aufbewahrt. Für sie ist ‚Zuhause‘ mehr als ein Ort, an dem man sich am wohlsten fühlt, es ist auch ein Schloss, das aus ihren persönlichen Erinnerungen besteht. Ausgehend von diesem Hintergrund werde ich in diesem Vortrag zunächst einen kurzen Überblick über die kurdischen Filmpraktiken in der Türkei geben. Weiterhin werde ich mich auf die Darstellung von „Heimat“ in kurdisch-deutschen Spiel- und Dokumentarfilmen konzentrieren. Durch den Blick auf die Filme von Ayşe Polat, Miraz Bezar, Yüksel Yavuz, Soleen Yusef und Rezan Yesilbaş werde ich die Funktion und die visuelle Ästhetik der ‚Heimat‘ in den Filmen deutsch-kurdischer Regisseure hinterfragen. Ich erforsche, wie die Themen Heimat und Obdachlosigkeit in den kurdisch-deutschen Regiefilmen dargestellt werden? Wie kurdisch-deutsche Filmemacher das Bild der Heimat“ in ihren Filmen ästhetisieren oder zerstören? Außerdem, wie kurdische Filmemacher aus der Türkei ihre Heimat darstellen oder problematisieren? Steht Heimat für den Ort der familiären Wurzeln oder für einen Ort, an dem man sich aufgrund seiner nationalen Identität sicher und unbedroht fühlt? Was ist die Funktion der Heimat als heimisches Archiv, das Spuren von nicht repräsentierten /undokumentierten persönlichen oder nationalen Geschichten speichert?
Persons
Carolin Anda studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Anglistik an der Goethe Universität Frankfurt und an der Universität Stockholm. Als Stipendiatin am DFG Graduiertenkolleg „Das fotografische Dispositiv“ (HBK Braunschweig) nahm sie die Arbeit der Dissertation auf. Zusammen mit KollegenInnen entwarf sie die Virtual-Reality App „demonstrationsraum“, die als digitales Ausstellungsformat bereits im Sprengelmuseum Hannover, im Goethe Institut Nowosibirsk und in der HBK Galerie in Braunschweig ausgestellt wurde. Sie unterrichtete Fotografie und Neue Medien an der Goethe Universität Frankfurt und an der HBK Braunschweig. Des Weiteren ist sie als freie Museumspädagogin im Jungen Museum Frankfurt tätig.
Dr. Özgür Çiçek is a film scholar who defended her PhD dissertation in 2016 at Binghamton University, Philosophy, Interpretation and Culture Program. Her PhD research is on Kurdish Cinema produced in Turkey, and it draws upon theories in film studies, national and transnational cinema theories, minor literature and minor cinema frameworks, documentary studies, and memory and archive studies. For her PhD research she conducted interviews with various Kurdish filmmakers, as well as with the officials of Kurdish art and culture centers, Kurdish film festival organizers, and with the directors of Kurdish conservatories and film schools. She also researched on the impact of Kurdish oral culture on Kurdish cinematic representation.