Genealogien, Narrationen, Zeitlichkeiten
Marie-Luise Angerer, Naomie Gramlich (Hg.)
ZeM Sammelband 01
Es ist eines der zentralen feministischen Anliegen, die realitätskonstituierende Wirkmacht von Narrationen für die Vorstellung von Geschichte und Gegenwart ernst zu nehmen. Während ab den 1960er-Jahren Science-Fiction-Autor*innen das Spekulative zum Imaginieren und Fabulieren von Post-race und Post-Gender-Welten nutzten, zeichnet sich seit einiger Zeit eine Veränderung in der feministischen Bezugnahme auf das Spekulative ab. Autor*innen wie Donna J. Haraway, Saidiya Hartman und Anna L. Tsing schlagen das Fabulative und Spekulative für eine andere Sicht auf das Jetzt und Hier vor, um sich der Komplexität von Klimawandel, Anthropozän und Dekolonisierung anzunehmen. Statt eine geschlossene Erzählung über etwas zu erzeugen, zeichnen sich die verschiedenen Unternehmungen feministischen Spekulierens durch besondere Modi der Situierung, Relationalität, Verantwortung und Offenheit aus.
Der Band verfolgt eine Theorie- und Diskursgeschichte feministischer Genealogien, die ein besonderes Augenmerk auf Fragen der spekulativen Narrationen und Zeitlichkeiten legen. Dabei werden Autor*innen wie Luce Irigaray, Ursula K. Le Guin oder Hélène Cixous wieder- und neugelesen sowie Fragen nach dem kritischen Potenzial des Möglichen und Spekulativen für die Gegenwart aufgeworfen.
Geschichte(n)
… wiedererzählen … neu erfinden
Genealogien
… neu verbinden … (anders) situieren
Zeitlichkeiten
… in ihrer Chronologie hinterfragen … durcheinanderbringen
Mit Beiträgen von Marie-Luise Angerer, Georg Dickmann, Naomie Gramlich, Julia Grillmayr, Ursula K. Le Guin, Annika Haas, Katrin Köppert, Martina Leeker, Laura Moisi, Friederike Nastold, Kathrin Thiele, Anna Lowenhaupt Tsing und Johannes Ungelenk.
Dieser Band ist bei media/rep/ in Open Access verfügbar.
In der Ausgabe Nr. 2/2021 des Journals [rezens.tfm] wurde der Sammelband besprochen. Die Rezensentin Yvonne Sobotka schreibt: „Feministisches Spekulieren ist eine Empfehlung an Leser*innen, die sich ihrer Situierung und Verantwortung bewusst(er) werden möchten und eignet sich sowohl als Einstiegs- als auch Vertiefungslektüre zu Fragen von anderen Vergangenheiten, unruhigen Gegenwarten und möglichen Post-gender/race-Zukünften. Die 13 Beiträge mit ihren vielfältigen medialen (Film-, Video- und Roman-)Bezügen knüpfen Verbindungsfäden zwischen feministischen Theorien/Praktiken und bieten zugleich äußerst anregende lose Enden für weitere ‚Fadenspiele‘.“ Die gesamte Besprechung kann hier online nachgelesen und als PDF heruntergeladen werden: [rezens.tfm] 2021/2.
Marie-Luise Angerer ist Professorin für Medientheorie/Medienwissenschaft an der Universität Potsdam, Geschäftsführende Direktorin des Brandenburgischen Zentrums für Medienwissenschaften (ZeM) in Potsdam sowie Sprecherin des Forschungskollegs „Sensing. Zum Wissen sensibler Medien“ (gefördert durch die VolkswagenStiftung). Sie war Gastprofessorin an der Hochschule der Künste zu Berlin (1997) und der Central European University in Budapest (1998), Vertretungsprofessorin an der Ruhruniversität Bochum (1998−2000) sowie Professorin für Medien- und Kulturwissenschaften/Gender Studies an der Kunsthochschule für Medien Köln (2000−2015).
Naomie Gramlich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Künste und Medien in Potsdam und arbeitet an einer Promotion zum Thema Post-/Kolonialismus, Medienmineralien und Extraktivismus. Sie studierte Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin, Geschichte und Kultur der Wissenschaft und Technik an der Technischen Universität Berlin und Europäische Medienwissenschaft an der Universität Potsdam.